Kaum postet Annalena Baerbock ein neues Video, ist im Netz der Aufruhr programmiert. Das zeigt sich auch jetzt wieder: Die frühere Außenministerin und aktuelle Präsidentin der UN-Generalversammlung meldet sich mit einem persönlichen Rückblick auf die Klimakonferenz in Brasilien zu Wort – und erntet darunter eine Mischung aus Wut, Spott, Bewunderung und Dankbarkeit. Während die einen ihr vorwerfen, sie inszeniere sich nur noch selbst, feiern andere genau diese persönliche Art, Politik zu erklären. Dazwischen bleibt wenig Platz für Zwischentöne.
Baerbocks Klimakonferenz-Rückblick: Persönlich, emotional – und ziemlich angreifbar
Im Clip, den Baerbock auf ihren Social-Media-Kanälen teilt, zieht sie ihr persönliches Fazit zur diesjährigen Klimakonferenz in Brasilien. Inhaltlich ist die Botschaft klar: Raus aus Kohle, Öl und Gas, rein in eine Zukunft mit erneuerbaren Energien. Sie erzählt, wie wichtig es sei, das „fossile Zeitalter“ endlich hinter sich zu lassen und beim Ausbau von Wind- und Solarenergie nicht nachzulassen. Statt trockener Zahlen setzt sie dabei auf Emotionen und biografische Bezüge.
Ein Kernstück des Videos ist ihr Rückblick auf die Klimaverhandlungen in Paris Mitte der 2010er Jahre. Damals, erinnert sie sich, seien Forderungen nach einem massiven Ausbau grüner Energien international noch belächelt worden. Heute, so ihr Narrativ, sei genau das zum globalen Leitmotiv geworden. Die Botschaft zwischen den Zeilen: Die Linie, für die sie und ihre Partei seit Jahren trommeln, war früher Randposition – und ist inzwischen im Mainstream angekommen.
Damit erzählt Baerbock eine klassische „Wir haben es schon früh gesehen“-Geschichte: vom belachten Ideal zur offiziellen Zielmarke der Weltgemeinschaft. Sie verknüpft eigene Erfahrungen, Klimapolitik und ein Stück Selbstbestätigung. Genau diese Mischung sorgt aber auch für Zündstoff. Denn wo sie selbst eine motivierende Erfolgsgeschichte sieht, wittern Kritiker vor allem eins: Eitelkeit.
Ihr Ton im Video ist bewusst nahbar: weniger Staatsfrau, mehr Aktivistin, die von früheren Kämpfen berichtet. Sie spricht frei, emotional, mit persönlichem Erinnerungs-Charakter. Für ihre Fans ist das der Grund, warum sie ihr gerne zuhören. Für viele Gegner ist es der perfekte Aufhänger, ihr wieder einmal „Show“ statt Sachpolitik zu unterstellen.
„Du bist nicht der Mittelpunkt“ – Wie die Kommentarspalten explodieren
Unter dem Video zeigt sich das bekannte Muster, das man von Baerbock-Posts inzwischen fast schon erwartet. Sobald der Clip online ist, füllen sich die Kommentarspalten in rasantem Tempo. Ein Teil der Nutzer nimmt noch Bezug auf Inhalte – etwa Klimaziele oder internationale Verantwortung. Ein großer Block lässt sich aber eher von Bauchgefühl, Frust und politischer Abneigung leiten.
Wiederkehrender Vorwurf Nummer eins: eine angeblich überzogene Selbstinszenierung. Mehrere Kommentare drehen sich darum, dass es „immer nur um sie selbst“ gehe und sie sich zu sehr in den Mittelpunkt stelle. In ironischem Ton wird angemerkt, Baerbock könne offenbar kein Video machen, ohne ausführlich über ihre eigene Rolle zu sprechen. Aus ihrer Rückblende auf frühere Klimagipfel wird so in den Augen der Kritiker ein Ego-Trip.
Dazu gesellen sich Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Manche Nutzer fragen offen, ob sie das, was sie im Clip erzählt, tatsächlich selbst glaube. Die Kommentare klingen, als würden die Absender jede ihrer Aussagen automatisch als Pose interpretieren – unabhängig davon, ob es um konkrete Klimapolitik, internationale Verpflichtungen oder persönliche Eindrücke geht. Inhalte verschwimmen hinter dem generellen Misstrauen gegenüber der Person.
Ein anderer Strang der Reaktionen besteht aus direkten Angriffen auf ihre politische Existenzberechtigung. Hier geht es längst nicht mehr um ein einzelnes Video, sondern um die grundsätzliche Forderung, sie möge sich aus der Politik zurückziehen. Aufforderungen, lieber zu Hause zu bleiben, um „keinen Schaden anzurichten“, oder gleich komplett „von der Bühne zu verschwinden“, fügen sich ein in eine jahrelange Kampflinie gegen Baerbock, wie man sie aus hitzigen Debatten um ihren früheren Außenministerinnen-Job kennt.
Diese Kommentare sind in der Wortwahl oft aggressiv, teilweise hämisch, meist sehr persönlich. Inhaltliche Argumente treten in den Hintergrund. Statt um „fossiles Zeitalter“ und Energiewende geht es um charakterliche Eignung, angebliche Inkompetenz und das generelle Feindbild „Grüne Spitzenpolitikerin“. Das Video dient vielen offenbar nur als Anlass, um alten Ärger erneut auszuschütten – unabhängig davon, wie differenziert oder nicht der eigentliche Beitrag ausfällt.
Gleichzeitig darf man die andere Seite der Kommentarspalte nicht übersehen. Die hasserfüllten Reaktionen sind laut und auffällig, aber sie dominieren den Thread nicht vollständig. Zwischen wütenden Posts tauchen zahlreiche Stimmen auf, die Baerbock ausdrücklich den Rücken stärken und sich für ihren Einsatz bedanken. Der Riss verläuft nicht nur politisch, sondern auch emotional: hier harsche Abwertung, dort emphatische Unterstützung.
Gänsehaut, Tränen, Respekt – Warum viele Fans genau diesen Ton mögen
Die positive Resonanz auf das Video liest sich wie das Gegenstück zu den wütenden Kommentaren. Unterstützerinnen und Unterstützer loben den persönlichen Stil, den Rückgriff auf Erinnerungen und das Bemühen, Klimadiplomatie nicht nur über Fachbegriffe, sondern über Geschichten zu erklären. Viele betonen ausdrücklich ihren Respekt für Baerbocks Engagement und für ihren langen Atem in Klimafragen.
Mehrere Nutzer heben hervor, dass sie den Clip als emotional stark empfinden. Sie berichten von Gänsehaut-Momenten oder sogar Tränen, während sie ihr zuhören. Gerade der erzählerische Rückblick – von der Zeit, in der erneuerbare Energien belächelt wurden, bis zur heutigen Rolle als international anerkanntes Ziel – wird als motivierend wahrgenommen. Aus Sicht dieser Fans macht gerade das Storytelling den Unterschied: Politik wirkt greifbarer, weniger abstrakt, persönlicher.
Ein weiterer Punkt in den positiven Kommentaren ist der Blick über Deutschland hinaus. Einige Nutzer freuen sich darüber, dass Europa beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle einnehmen wolle. Sie verbinden Baerbocks Auftritt mit der Hoffnung, dass europäische Staaten ihre Anstrengungen noch verstärken und internationale Allianzen für den Klimaschutz ausbauen. In diesem Narrativ wird sie nicht als Narzisstin, sondern als eine von wenigen prominenten Stimmen gesehen, die das Thema konsequent auf die internationale Bühne tragen.
Auch inhaltlich bekommt der Clip Zuspruch: Viele bedanken sich explizit für ihren Einsatz beim Abschied von fossilen Energieträgern und den konsequenten Ausbau von Wind- und Solarenergie. Für diese Gruppe wirkt Baerbocks Betonung, man dürfe nicht nachlassen, eher wie eine dringend nötige Erinnerung als wie Selbstlob. Dass sie ihre eigene politische Geschichte und Vergangenheit auf Klimakonferenzen dabei miterzählt, wird von ihnen weniger als Eitelkeit, sondern als Authentizitätsbeweis gelesen.
Unterm Strich zeigt die Reaktion auf das Video einmal mehr, wie stark Baerbock polarisiert. Ihre Art, Politik über persönliche Erlebnisse und emotionale Erzählungen zu vermitteln, zieht scharfe Kritik ebenso an wie leidenschaftliche Unterstützung. Während die einen in jedem persönlichen Tonfall Selbstinszenierung sehen, empfinden andere genau diese persönliche Note als das, was sie an ihr schätzen. Dass ausgerechnet ein Rückblick auf frühere Klimaverhandlungen zum Brennglas für diese Spaltung wird, passt zur Gesamtfigur Baerbock: Symbolfigur für Klimapolitik – und Blitzableiter im Netz.
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