Ein Fundstück aus dem Herzen der Geschichte sorgt erneut für Gesprächsstoff: Von einem blutbefleckten Sofa aus dem Berliner Führerbunker, auf dem Adolf Hitler 1945 gestorben sein soll, wurden winzige Stoffreste gesichert. Der amerikanische Oberst Roswell P. Rosengren hatte damals ein Stück des Bezugs mitgenommen, später gelangten kleine Fragmente als Erinnerungsstücke in Umlauf. Aus einem dieser Mini-Stücke extrahierten Forscher DNA und glichen sie mit Proben aus Hitlers Verwandtschaft ab, um die Herkunft zu verifizieren – eine heikle, aber sorgfältig dokumentierte Spurensicherung.
Was die Forscher tatsächlich fanden
Kern der Auswertung ist eine Mutation, die nach Angaben des Teams ein klares Bild zeichnet: Bei Hitler sei das Kallmann-Syndrom nachweisbar. Dieses seltene Krankheitsbild betrifft die Hormonentwicklung und kann sich – je nach Ausprägung – körperlich und reproduktiv bemerkbar machen.
Schon ältere medizinische Hinweise passten in dieses Muster. Ein Untersuchungsbefund aus dem Jahr 1923, der erst 2015 öffentlich wurde, dokumentierte bei Hitler eine nicht abgesunkene Hodenanlage (Kryptorchismus). Das galt lange als isolierte Anomalie. Nun wirkt es im Lichte der genetischen Daten weniger zufällig, sondern als mögliches Element eines Syndroms.
Wichtig ist die Einordnung: Bei rund einem Zehntel der Betroffenen tritt ein Mikropenis auf. Ob das bei Hitler der Fall war, lässt sich aus den vorliegenden Daten nicht belegen. Die Genetik liefert hier Wahrscheinlichkeiten und Zusammenhänge, keine rückwirkende klinische Diagnose im engeren Sinn.
Risikoscores, keine Diagnosen
Neben dem Syndrom-Befund berechnete das Team sogenannte polygene Risikoscores. Diese quantifizieren – im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung – genetische Wahrscheinlichkeiten für komplexe Merkmale. Bei Hitler lagen die Scores für Autismus, Schizophrenie, ADHS und bipolare Störung erhöht. Das klingt spektakulär, ist wissenschaftlich aber vor allem eines: statistisch.
Die leitende Genetikerin Turi King mahnt zur Vorsicht. In ihren Worten: Das Böse sieht man nicht im Genom. Ein Score ist kein Befund, kein Etikett und schon gar nicht eine Erklärung für Handlungen. Er beschreibt, wie häufig bestimmte DNA-Varianten in Gruppen mit einem Merkmal vorkommen – mehr nicht. Ach, die Genetik… sie ist komplexer, als Schlagzeilen vermuten lassen.
Ähnlich nüchtern ordnet der Psychologe Simon Baron-Cohen die Ergebnisse ein. Sein Hinweis lautet: Verhalten ist nie völlig genetisch. Zwischen DNA und Taten liegen Erziehung, Umfeld, Ideologie, Biografie – und individuelle Entscheidungen. Kann man aus Genen auf Verbrechen schließen? Die klare Antwort der Experten: nein.
Dokumentarfilm, Veröffentlichung und Ethik
Die wichtigsten Resultate werden im britischen Dokumentarfilm „Hitler’s DNA: Blueprint of a Dictator“ präsentiert; die detaillierten Daten sollen in einer Fachzeitschrift erscheinen. An dem Projekt beteiligt ist neben Genetikerinnen und Genetikern auch der Historiker Thomas Weber, der das Vorgehen historisch einordnet und begleitet.
Der Weg dorthin war nicht frei von Konflikten. Einige Labore lehnten eine Mitarbeit aus moralischen Gründen ab. Das Team, das schließlich die Auswertung übernahm, betont einen streng wissenschaftlichen Prozess – mit sauberer Dokumentation der Probenkette, unabhängigen Abgleichen und einer möglichst transparenten Methodik, um Fehlerquellen zu minimieren.
Zur Kontextualisierung gehört auch, Missverständnisse auszuräumen. Risikoscores sind gruppenstatistische Modelle, keine Persönlichkeitsprofile. Und ein Syndrom wie Kallmann erklärt nicht Charakter oder Schuld. Forschende warnen deshalb vor Stigmatisierung von Menschen mit ähnlichen Diagnosen. DNA ist Teil unserer Identität – aber eben nur ein Teil.
Der Bericht verweist zudem auf weiterführende Medienberichte über die genetischen Analysen, darunter thetimes.com. Zentral bleibt jedoch: Die hier präsentierten Ergebnisse beschreiben Risiken, keine feststehenden Eigenschaften, und sie können historische Verantwortung nicht biologisieren.
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Verwendete Quelle:
DNA-Analyse weist bei Adolf Hitler das seltene Kallmann-Syndrom nach



