Ein Abschied mit Ansage. Am 17. November wählten die Künstlerinnen Alice und Ellen Kessler in Grünwald bei München den assistierten Suizid – begleitet und bestätigt von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS). Die Nachricht löste große Anteilnahme in Deutschland aus und befeuert eine Debatte, die seit Jahren schwelt: Wie verbindlich ist der rechtliche Rahmen für Sterbehilfe, und wer stellt sicher, dass Entscheidungen wirklich frei getroffen werden?
Bekannt ist: Die Zwillingsschwestern waren langjährige Mitglieder der DGHS, hatten weder Ehemänner noch Kinder und bereiteten ihren letzten Schritt nach ausführlichen Vorgesprächen mit einer Juristin und einer Ärztin vor. Dass beide denselben Termin wählten, berührte viele Menschen – und machte den politischen Handlungsbedarf sichtbarer denn je.
Wer die Kesslers waren und wie sie ihren Abschied planten
Alice und Ellen Kessler galten als Ikonen der Unterhaltung, deren Karrieren Generationen begleiteten. In ihrem 90. Lebensjahr entschieden sie sich für ein Ende in Selbstbestimmung. Laut DGHS hatten die Schwestern die Entscheidung sorgfältig vorbereitet. Dazu gehörten Gespräche mit einer Medizinerin und einer Juristin, um die Freiwilligkeit und die rechtliche Absicherung zu klären. Die DGHS, vertreten durch ihren Präsidenten Robert Roßbruch, betont dabei eine klare Rechtsauffassung ohne juristischen Graubereich – ein Punkt, der in der aktuellen Diskussion besonders hervorsticht.
Die emotionale Wucht des gleichzeitigen Abschieds ist groß, doch die Schwestern hinterließen ein geplantes, dokumentiertes Vorgehen. Damit rückt weniger die Frage des Ob, sondern die des Wie in den Mittelpunkt: Wer prüft die Entscheidungsfähigkeit, und nach welchen einheitlichen Maßstäben geschieht das?
Politik unter Druck: Lauterbach fordert strengere Regeln
Der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ordnet den Fall deutlich ein. Gegenüber der Rheinischen Post kritisiert er die derzeitige Praxis als ethisch nicht tragfähig und sieht dringend Regelungsbedarf. Aus seiner Sicht muss an erster Stelle garantiert werden, dass keine psychischen Erkrankungen die Fähigkeit zur freien Entscheidung beeinträchtigen. Zugleich positioniert er sich als klarer Befürworter des assistierten Suizids – allerdings nur, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: echte psychische Entscheidungsfreiheit ohne Einschränkungen und ein Verfahren, das vollständig frei von kommerziellen Interessen bleibt.
Genau an diesem zweiten Punkt entzündet sich Streit: Angebote kommerzieller Anbieter sind aktuell nicht grundsätzlich ausgeschlossen – ein Umstand, den Lauterbach ausdrücklich bemängelt. Er fordert, dass wirtschaftliche Motive im Kontext der Sterbehilfe keinen Platz haben. Die DGHS wiederum verweist darauf, dass ihre Begleitungen auf strengen Prüfungen beruhen und die rechtlichen Leitplanken beachtet werden. Kann die Politik hier rasch Klarheit schaffen?
Auch die mediale Einordnung unterstreicht die Brisanz. MDR Aktuell ordnet die Reaktionen ein, während die TZ den Ablauf der begleiteten Selbsttötung erläutert: Demnach nimmt die betroffene Person eigenständig eine Substanz, die zu einem schmerzfreien Tod führt. Die Entscheidung muss freiwillig sein und der Akt autonom erfolgen; deshalb sind in der Regel eine Ärztin beziehungsweise ein Arzt und eine Juristin beziehungsweise ein Jurist beteiligt. Diese Beschreibung macht deutlich, worum es in der Gesetzgebung praktisch geht: ein Verfahren, das Selbstbestimmung ermöglicht und Missbrauch konsequent verhindert.
Ablauf, Reaktionen und Hilfsangebote
Aus den Berichten der TZ lässt sich ablesen, wie stark die Autonomie der Betroffenen im Mittelpunkt steht: Freiwilligkeit, Selbstständigkeit beim Einnehmen der Substanz und fachliche Begleitung sind die Kernpunkte. Im Fall der Kessler-Zwillinge passt das Bild zu dem, was von der DGHS bestätigt wurde: langjährige Mitgliedschaft, Vorabgespräche, dokumentierte Entscheidung.
Die öffentliche Reaktion reichte von stiller Anteilnahme bis zu Erstaunen. Die Sängerin Peggy March, die die Schwestern seit Jahrzehnten kannte, zeigte sich überrascht. Solche Stimmen verweisen auf die emotionale Seite eines Themas, das juristisch trocken wirkt, aber zutiefst persönlich ist.
Wenn Sie sich belastet fühlen oder Hilfe brauchen, wenden Sie sich an das Info-Telefon Depression unter 0800/33 44 533. Weitere Informationen und Unterstützung finden Sie bei der Deutschen Depressionshilfe.
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Verwendete Quelle:
Tod der Kessler-Zwillinge löst Debatte aus – Lauterbach fordert Gesetzesänderung














