Anne Frank: Ein tragisches Schicksal, das immer noch viele Fragen aufwirft

Während des Zweiten Weltkriegs versteckte sich Anne Frank mit ihrer Familie in Amsterdam, um der Deportation durch die Nazis zu entgehen. Nach einem Besuch der Gestapo kam sie in das Lager Bergen-Belsen, wo sie im Alter von 15 Jahren am 10. Februar 1945 starb. Sie hinterlässt ein Tagebuch, das zu einem besonderen Zeugnis der Shoah geworden ist.

Anne Frank, Geschichte, Tagebuch
© Stefano Montesi - Corbis@Getty Images
Anne Frank, Geschichte, Tagebuch

Annelies Marie Frank wird am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main geboren, in einem krisengeschüttelten Deutschland, in dem Arbeitslosigkeit und Armut infolge der Weltwirtschaftskrise von 1929 explodieren. Die NSDAP erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Ihr Führer Adolf Hitler, der seine Herrschaft auf dem in Deutschland bereits vorhandenen Antisemitismus aufbaut, nimmt die Juden ins Visier und macht sie für alles Übel im Land verantwortlich.

In diesem sowohl wirtschaftlich als auch ideologisch beunruhigenden Klima ziehen Otto und Edith Frank mit ihren beiden Töchtern nach Amsterdam. Otto beginnt dort ein Geschäft mit Pektin, einem Pflanzenextrakt zum Verdicken von Marmeladen.

Anne lernt Niederländisch, freundet sich mit Gleichaltrigen an und besucht die Schule in ihrer Nachbarschaft. Doch 1941 besetzen die Deutschen die Niederlande und zwingen das Mädchen, eine jüdische Schule zu besuchen, während der Vater gezwungen ist, seine Arbeit aufzugeben.

Das "Annexe".

Die Bedrohung ist so groß - man geht davon aus, dass die Gefahr besteht, in ein Zwangsarbeitslager deportiert zu werden -, dass man eine Lösung finden muss. Es ist beschlossene Sache: Man muss sich verstecken. Am 9. Juli 1942 zieht die Familie Frank in die Räumlichkeiten hinter den Büros von Ottos Firma in der Prinsengracht 263.

Vier Nachbarn, Hermann van Pels, seine Frau und sein Sohn Peter und ein Zahnarzt, Fritz Pfeffer, leisten ihnen während ihres Untertauchens in diesem Ort, den sie "Annexe" nennen, Gesellschaft. Die acht Mitbewohner:innen dürfen keinen Lärm machen, um keinen Verdacht zu erregen. Nachbar:innen und Freund:innen versorgen sie mit Lebensmitteln.

Das Tagebuch der Anne Frank

Zu ihrem dreizehnten Geburtstag am 12. Juni 1942 erhielt Anne von ihrem Vater ein Tagebuch. "Es ist ein sehr seltsames Gefühl für jemanden wie mich, ein Tagebuch zu schreiben. Ich habe nicht nur noch nie geschrieben, sondern es scheint mir, dass weder ich noch sonst jemand sich später für die Vertraulichkeiten einer dreizehnjährigen Schülerin interessieren wird", schrieb sie am 20. Juni. Sie ahnte damals nicht, dass ihr Tagebuch zu einem der meistverkauften Bücher der Welt werden würde.

Zwei Tage nach ihrem Umzug in das "Annexe" berichtet Anne Frank von ihrem Alltag:

Wir haben es hier nicht allzu schlecht, denn wir können unten in Papas Büro kochen und Radio hören. Herr Kleiman und Miep und auch Bep Voskuyl haben uns so sehr geholfen, sie haben uns schon Rhabarber, Erdbeeren und Kirschen gebracht, und ich glaube nicht, dass wir uns so bald langweilen werden. Wir haben auch etwas zum Lesen und werden noch eine ganze Reihe von Brettspielen kaufen. Natürlich dürfen wir nicht aus dem Fenster schauen oder nach draußen gehen. Tagsüber müssen wir ständig auf Zehenspitzen gehen und leise sprechen, damit uns niemand aus dem Lager hört.

Zwei Jahre lang bringt die Jugendliche ihre Gedanken und Gefühle zu Papier, indem sie "Kitty", wie sie ihr Tagebuch nennt, Tag für Tag erzählt, was sie fühlt. Das Schreiben ist für sie eine wichtige Tätigkeit, um gegen die Langeweile anzukämpfen. Sie erfindet einige Kurzgeschichten und einen Roman.

Entdeckung und Deportation der Franks

Am 4. August 1944 erhalten die Familie Frank und ihre Mitgefangenen den schlimmsten aller Besuche, nämlich von der Gestapo. Einer ihrer Beschützer:innen, Miep Gies, gelingt es, das Tagebuch der kleinen Anne zu retten.

Nach einem kurzen Aufenthalt im KZ Auschwitz - aus dem kürzlich die Geheimbotschaft eines Gefangenen entziffert worden ist und das nun von deutschen Expert:innen virtuell nachgestellt wurde - wurden Anne Frank und ihre Schwester Margot im Oktober in das Lager Bergen-Belsen verlegt, wo sie nur wenige Wochen vor der Befreiung des Lagers an Typhus starben.

Otto Frank, der einzige Überlebende der Familie Frank, ließ 1947 das Tagebuch seiner Tochter veröffentlichen, das ihm Miep Gies übergeben hatte. Drei Jahre später wurde das Buch ins Französische übersetzt und die ganze Welt interessierte sich bald für das tragische Schicksal der jungen Anne Frank.

Aber wer hat Anne Frank wirklich verraten?

Sieben Jahrzehnte später stellt sich diese Frage in den Niederlanden immer noch. Mehr als dreißig Personen wurden verdächtigt, die Familie Frank und ihre Mitstreiter:innen im Untergrund verraten zu haben. Auf der Anklagebank saßen Mitarbeiter:innen der Firma des Vaters, die in der ersten Reihe saßen, weil sie unter dem Versteck der Franks arbeiteten. Andere verdächtigten Nelly Voskuyl, die Schwester von Bep Voskuyl, die die Familie Frank beschützte. Alle wurden aus Mangel an Beweisen freigelassen.

Der Fall ist noch nicht abgeschlossen und einige führen die Ermittlungen weiter. So zum Beispiel der ehemalige FBI-Agent Vincent Pankoke, der mit einer Gruppe von Kriminalexpert:innen modernste Mittel (wie künstliche Intelligenz) einsetzt, um das Geheimnis der Verhaftung der Franks zu lüften, oder Gerard Kremer, Sohn eines ehemaligen Widerstandskämpfers, der der Nachbar der Familie Frank war. In seinem Buch "Le jardin arrière de l'Annexe" behauptet dieser, dass es eine jüdische Frau namens Ans van Dijk war, die mit den Nazis zusammengearbeitet und 145 Personen, darunter auch die Familie Frank, ausgeliefert haben soll.

Primo Levi, der Autor von "Und wenn es ein Mensch ist", bringt die Rolle, die Anne Frank in der Wahrnehmung der Welt von den Opfern des Holocaust spielt, treffend zum Ausdruck: "Anne Frank allein bewegt uns mehr als die vielen Opfer, die wie sie gelitten haben, deren Bild aber im Schatten geblieben ist."

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Verwendete Quelle:

Anne Frank House

Aus dem Französischen übersetzt von GEO

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