Robert Habeck hat sich aus der Bundespolitik verabschiedet. So ganz ohne öffentliche Präsenz geht es dann aber anscheinend doch nicht. An drei Nachmittagen lädt er Gäste zum Berliner Ensemble und spricht mit ihnen auf der Theaterbühne über aktuelle Themen. Den Auftakt machten keine Geringeren als die Ex-Moderatorin Anne Will und der ehemalige Verkehrsminister Volker Wissing.
"Demokratie im Notfall": Robert Habeck über mögliche Gründe für gelingende Regierungsarbeit
Bei seiner Auftaktveranstaltung hat sich der ehemalige Grünen-Chef nicht nur prominente Gäste geladen, sondern auch ein brisantes Thema ausgesucht: Er wollte ergründen, warum die Ampel-Regierung vor allem im Krisenfall schnell(er) handlungsfähig war – und wie die aktuelle Schwarz-Rote Regierung das nutzen könne.
Für ihn ist klar: Sobald eine (mögliche) Krise im Raum steht, geraten kleinliche Partei-Rangeleien in den Hintergrund – und auch die Medien hielten sich dann eher zurück. Denn in seinen Augen seien nicht nur die Versuche der Parteien, sich besser zu stellen als die anderen ein Problem. Sondern vor allem auch der "dysfunktionale" Mediendiskurs, der darauf abziele, Konflikte möglichst aufzubauschen. In Richtung der einstigen Talkshow-Moderatorin erklärt er etwa:
Ich darf Ihnen sagen, der GAU für [jede:n Politiker:in] in Ihrer Sendung – und auch in sonst allen Talkshows – ist: in der Sendung dem politischen Wettbewerber recht zu geben.
"Angriff auf unser System": Anne Will sieht Habecks Aussagen kritisch, warnt aber auch vor AfD
Dem kann die Podcasterin nicht zustimmen und findet eher, dass es nicht Aufgabe der Medien sei, die Regierung bei einer Kompromisssuche zu unterstützen. Denn immerhin sind Journalist:innen ja dazu angehalten, objektiv über das aktuelle (politische) Geschehen zu berichten. Und dazu gehört auch, Konflikte aufzuzeigen.
Zudem findet sie, dass es – zu Recht – eigentlich die Grunderwartung der Bürger:innen sei, dass eine Regierung handlungsfähig ist. Das sollte sie nicht erst in Krisenzeiten unter Beweis stellen.
Habeck betont daraufhin, man sich müsse aber allgemein mehr "gegen diese Empörungskultur wehren" und wieder dahinkommen, sich auch mal ernsthaft mit den Themen auseinanderzusetzen. Zumindest dem kann auch Anne Will zustimmen, die in den aktuellen Entwicklungen einen Angriff auf die Demokratie sieht:
Wir haben noch gar nicht gesprochen davon, wie Deutschland inzwischen wählt und was da zum Ausdruck gebracht werden soll. Das ist der Angriff auf unser System. Das sind die Zersetzungsbemühungen. [...] Dagegen muss man natürlich, das haben wir jetzt verschiedentlich gesagt, aufstehen; sagen: Das darf nicht sein!
Volker Wissing erklärt: Man dürfe sich ruhig mal einig sein – auch parteiübergreifend
Auch Volker Wissing, der insgesamt überraschend ruhig wirkt, scheint einiges nicht ganz so dramatisch zu sehen wie sein ehemaliger Koalitionspartner. Wissing, der FDP-Mitglied war und unter der Ampel-Regierung als Verkehrsminister im Dienst war, schreibt aktuell an einem Buch zum Thema Verantwortung.
Und auf diese kommt er in der Runde mehrmals zu sprechen. So sei es einerseits die Verantwortung jedes Einzelnen, sich dafür einzusetzen, die Welt ein Stückchen besser zu machen – und sich mit dem Gehörten/Gelesenen auseinanderzusetzen statt nur Inhalte zu konsumieren. Andererseits seien aber auch die Parteien gefordert. Gerade in der Regierung müsse man mit der Profilierung aufhören und eher an Kompromissen arbeiten:
Vom Einzelnen geht mehr Möglichkeit aus, als wir es uns zugestehen. [Wir brauchen] mehr Disziplin und Contenance, [um uns] nicht von den sozialen Medien hochpeitschen zu lassen. [...] Jede Parteisucht ständig einen Unique Selling Point, also ein Alleinstellungsmerkmal. Man will sich abgrenzen, man will etwas als zentrale Forderung nach vorne stellen, was man möglichst ganz alleine fordert. [...] Das hat auch die Regierung, der wir gemeinsam angehört haben, belastet. [...] Es ist doch nicht schlimm, wenn man mal einer Meinung ist!
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Verwendete Quellen:
Welt: Habecks neue Talkshow: "Das ist der Angriff auf unser System", sagt Anne Will über die jüngsten Wahlergebnisse
Tagesschau: Auftritt mit Wissing: Habeck auf öffentlicher Rollen-Suche
FAZ: Gespräch mit Habeck: Volker Wissing: "Es ist doch nicht schlimm, wenn man mal einer Meinung ist"
Welt: Berliner Ensemble: Robert Habeck wird Salon-Gastgeber – und lädt Anne Will ein