2017 verliert der chinesische Unternehmer Gui Junmin seine Frau Zhan Wenlian an Lungenkrebs. Statt einer traditionellen Beerdigung entscheidet sich der Milliardär für eine hochumstrittene Option: Kryokonservierung. Der Körper seiner Frau wird nach dem Tod auf extrem niedrige Temperaturen heruntergekühlt und bei rund –196 °C in flüssigem Stickstoff aufbewahrt. Der Gedanke dahinter: Vielleicht könnte die Medizin in einigen Jahrzehnten so weit sein, sowohl den Krebs zu besiegen als auch den eingefrorenen Körper wiederzubeleben.
Zu diesem Zeitpunkt äußert Gui Junmin nach Medienberichten einen sehr weitreichenden Vorsatz: Er wolle allein bleiben, bis es eine wirksame Behandlung gegen die Krankheit gebe, an der seine Frau gestorben ist. Die Entscheidung für die Kryokonservierung und dieses persönliche Versprechen wurden damals als Beweis einer außergewöhnlich starken Bindung dargestellt – mit der vagen Hoffnung auf ein mögliches Wiedersehen in ferner Zukunft.
Mehrere Jahre später hat sich sein Leben jedoch grundlegend verändert. In einem Interview mit der chinesischen Wochenzeitung Southern Weekly, auf das sich unter anderem die BBC beruft, berichtet Gui Junmin, dass er inzwischen wieder in einer festen Beziehung lebt. Damit steht er plötzlich im Zentrum einer nationalen Debatte darüber, wie Trauer, Treue und Neuanfang zusammenpassen können, wenn der Körper der Verstorbenen weiter in einem Tank mit flüssigem Stickstoff lagert.
Neue Partnerin trotz eingefrorener Vergangenheit
Nach dem Tod seiner Frau lebt Gui Junmin zunächst einige Jahre allein. Dann lernt er 2020 über einen gemeinsamen Bekannten Wang Chunxia kennen, die im Versicherungsvertrieb arbeitet. Aus dieser Bekanntschaft entwickelt sich nach und nach eine Partnerschaft. In dem Interview schildert der Milliardär, wie es zu diesem Schritt kam – und warum er sein früheres Gelübde aufgegeben hat.
Er berichtet, dass sich seine eigene Gesundheit verschlechtert habe und dass ihn der Gedanke an ein völlig einsames Leben zunehmend belastete. Ein Mensch, der allein wohnt, könne ernsthaft erkranken oder sogar sterben, ohne dass jemand rechtzeitig etwas bemerke – diese Angst sei für ihn real geworden. Gesellschaft und gegenseitige Unterstützung im Alltag seien daher zu einem Bedürfnis geworden, dem er sich irgendwann nicht mehr verschließen wollte.
Gleichzeitig macht Gui Junmin deutlich, dass er seine verstorbene Frau nicht als „ersetzt“ betrachtet. Er beschreibt, wie sehr die gemeinsame Vergangenheit sein Leben weiterhin prägt und dass Zhan Wenlian für ihn eine zentrale Rolle behält, obwohl sie tot und ihr Körper kryokonserviert ist. Seine neue Beziehung stellt er eher als pragmatischen Schritt dar, um nicht dauerhaft allein zu bleiben, weniger als vollständigen Neustart ohne Blick zurück.
Nach seinen eigenen Aussagen empfindet er gegenüber Wang Chunxia vor allem Verpflichtung und Fürsorge, während die emotionale Bindung zu seiner ersten Frau für ihn bestehen bleibt. Diese innere Aufteilung zwischen Erinnerungsloyalität und neuem Alltagsleben ist genau der Punkt, der viele Beobachterinnen und Beobachter irritiert.
Heftige Reaktionen in China: Zwischen Verständnis und scharfer Kritik
Seit der Veröffentlichung des Interviews schlägt Gui Junmin in chinesischen Online-Netzwerken ein rauer Wind entgegen. Viele Nutzerinnen und Nutzer empfinden es als widersprüchlich, dass er einerseits hohe Summen in die Konservierung des Körpers seiner Frau investierte und mit ihr symbolisch auf eine ferne Zukunft hofft, während er andererseits bereits jetzt mit einer anderen Frau zusammenlebt.
Kommentatoren sprechen von einem „emotionalen Doppelgleis“: Heute teile er sein Leben mit einer Partnerin, gleichzeitig halte er sich die Option offen, in Jahrzehnten zu der ersten Frau zurückzukehren, falls die Technik dies erlaube. In manchen Beiträgen wird diese Konstellation als belastend sowohl für die neue Freundin als auch für das Andenken an die Verstorbene dargestellt. Andere Stimmen kritisieren vor allem den Bruch seines früheren Versprechens und sehen darin mangelnde Konsequenz oder fehlende Aufrichtigkeit.
Es gibt allerdings auch Nutzerinnen und Nutzer, die Verständnis für seine Lage äußern. Sie argumentieren, niemand könne auf Dauer in einem Zustand ewiger Trauer verharren, und es sei menschlich, sich nach Nähe zu sehnen, selbst wenn die Liebe zu einer verstorbenen Person weiterbestehe. Wieder andere weisen darauf hin, dass die Erfolgschancen der Kryonik nach aktuellem wissenschaftlichem Stand äußerst gering sind und das Szenario einer tatsächlichen „Rückkehr“ von Zhan Wenlian wahrscheinlich rein theoretisch bleibt.
Unterm Strich bleibt der Fall ein Beispiel dafür, wie neue Technologien alte Fragen nach Treue, Trauerarbeit und persönlicher Freiheit verschärfen können. Während Gui Junmin versucht, Erinnerungen an seine Frau zu bewahren und zugleich im Hier und Jetzt ein Leben zu zweit zu führen, ringt die Öffentlichkeit darum, ob das Ausdruck moderner Lebensrealität oder moralisch fragwürdiger Selbstwiderspruch ist.
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