Obwohl sie wegen ihres furchteinflößenden Aussehens und der Netze, die sich in den Ecken der Häuser verbergen, oft wenig beliebt sind, sind Spinnen faszinierende Tiere. Vor allem aus evolutionärer Sicht, da ihre Herkunft bis heute ein Rätsel bleibt und unter Forschern heftig diskutiert wird. Tatsächlich sind alle heutigen Arachniden – Spinnen, Skorpione, Zecken, Milben usw. – Landtiere. Daher gilt es als allgemein anerkannt, dass sie sich von einem terrestrischen Tier entwickelt haben. Nur: Dieses wurde bislang nie identifiziert.
Ein bislang kaum beachtetes Fossil
Die Untersuchung eines Fossils namens Mollisonia symmetrica, das immerhin 500 Millionen Jahre alt ist, durch Forscher der University of Arizona, des Lycoming College (USA) und des King’s College London könnte diese Vorstellung jedoch infrage stellen. Die in Current Biology veröffentlichte Studie offenbarte nämlich bemerkenswerte Ähnlichkeiten zwischen dem Gehirn gewisser ausgestorbener Meeresarthropoden und heutigen Arachniden.
Eine doppelte Überraschung also. Erstens: Dieses Fossil, das überhaupt nicht wie eine Spinne aussieht, sondern eher wie eine Art Assel, wurde bislang immer als den Pfeilschwanzkrebsen nahestehend betrachtet. Zweitens: Obwohl die heutigen Arachniden gewisse Ähnlichkeiten mit marinen Cheliceraten aufweisen – einer Untergruppe der Arthropoden, zu der auch Seespinnen und Pfeilschwanzkrebse gehören –, lassen die Fossilienarchive bisher keine klare evolutive Verbindung erkennen.
„Es wird immer noch intensiv darüber debattiert, wo und wann die Arachniden erstmals auftauchten, welche Art von Cheliceraten ihre Vorfahren waren und ob diese marin oder halb-aquatisch wie die Pfeilschwanzkrebse lebten“, fasst Nicholas Strausfeld, Neurowissenschaftler an der University of Arizona, zusammen.
Ein einzigartiges Gehirn und ein erkennbares Nervensystem
Doch die von den Forschern eingesetzte Lichtmikroskopie könnte nun Licht ins Dunkel bringen. Das Nervensystem von Mollisonia, das untersucht wurde, ähnelt weder dem eines Pfeilschwanzkrebses noch dem eines Krebstieres oder Insekts. Es gleicht vielmehr dem eines Arachniden, mit einem Muster von Nervenzentren, dessen strahlenförmige Anordnung invertiert ist. Wie Nicholas Strausfeld weiter erklärt: „Das Gehirn der Arachniden ist einzigartig auf der Welt.“
Noch erstaunlicher ist, dass das beobachtete Nervensystem zahlreiche Beine sowie Mundklauen innerviert – an jener Stelle, an der unsere heutigen Spinnen ihre Giftklauen haben. „Dies ist ein entscheidender Schritt in der Evolution, der offenbar nur bei den Arachniden vorkommt“, erklärt Frank Hirth, Evolutionsneurobiologe am King’s College London. Skeptiker mögen von einem Zufall sprechen. Doch Wissenschaftler mögen dieses Wort nicht und führten daher eine eingehende statistische Analyse durch, die sie zu einer klaren Schlussfolgerung führte: Es handelt sich um ererbte Merkmale.
Auf dem Weg zu einer neuen Linie
Sollte sich dies bestätigen, würde Mollisonia an die Basis der Linie der Arachniden gestellt und sowohl den Pfeilschwanzkrebsen als auch den Seespinnen verwandt sein. Vor allem aber stützt es die These, dass die besondere Gehirnstruktur, die in der Linie von Mollisonia beobachtet wurde, ihren Nachfahren half, an Land zu überleben. Die Forscher vermuten nämlich, dass gemeinsame neuronale „Abkürzungen“ zu Beinen und Klauen deren Koordination und Bewegung erleichtert haben könnten.
Bleibt die Frage: Wenn unsere Arachniden tatsächlich aus dem Meer stammen – warum und wie haben manche von ihnen das Spinnen von Netzen entwickelt, deren Nutzen unter Wasser schwer vorstellbar ist? Doch das ist eine andere – faszinierende – Frage.
Auch Interessant:
Warum züchten australische Forscher furchterregende Albino-Kröten?
Australien: Ein Dingo rennt auf drei Haie zu, in einer spannungsgeladenen Konfrontation
"Hochdramatische" Entdeckung in der Ostsee: Der Dorsch ist in Gefahr
Verwendete Quelle:
Aus dem Französischen übersetzt vonGeo