Eine Liebe, zwei Kulturen: Wenn die Beziehung zu kippen droht

Finden zwei Menschen unterschiedlicher Kulturen zueinander, sind Konflikte in der Partnerschaft meist vorprogrammiert. Für Melike und Pakully zählt - anders als für ihr Umfeld - aber nur eines: Ihre Liebe zueinander.

Eine Liebe, zwei Kulturen: Wenn die Beziehung zu kippen droht
© Melike Njie Aksoy und Pakully Njie
Eine Liebe, zwei Kulturen: Wenn die Beziehung zu kippen droht

Wenn Pakully heute aus dem Schlafzimmerfenster schaut, kommen alte Erinnerungen und ein Mix aus Gefühlen hoch. An dem Spielplatz vor dem Haus traf er sich früher oft mit Melike. Dort sind die beiden ein Paar geworden. Dass sie eine schwere Lebensphase erwarten würde, ahnen die Teenager damals nicht.

Melike Njie Aksoy und Pakully Njie gehen seit zwei Jahren als Eheleute durchs Leben. Ihr Weg dahin gestaltete sich steinig. Zehn Jahre haben sie mit Herausforderungen zu kämpfen. Der Grund: Sie kommen aus zwei Kulturen, die unterschiedlicher nicht sein können. Melikes Eltern stammen aus der Türkei, Pakully hat seine Wurzeln im Senegal. Mit ihrer Liebe zueinander stoßen sie in ihrem Umfeld auf wenig Akzeptanz.

Ablehnung der Freundin

Auf die Eltern zugehen und den Freund vorstellen, kommt damals für Melike nie in Frage. Sie wusste, dass sie damit auf Ablehnung stoßen würde. Ein Geheimnis blieb es trotzdem nicht. Sie sagt:

Mein Vater hat uns erwischt, als Pakully und ich zusammen draußen waren. Der erste Schock für meine Eltern war, dass ich überhaupt einen Freund hatte und der zweite, dass er kein Türke ist.

Die damals 17-Jährige stand vor einem großen Konflikt. Ihre Beziehung drohte zu kippen. „Schließlich ist es meine Familie, die sich gegen uns gestellt hatte.” Diese Negativität wollte sie weder an sich noch an ihren Partner rankommen lassen. Allerdings gestaltete sich das schwer: „Auf der einen Seite wollte ich meine Familie für ihn nicht verlassen, aber auch nicht ihn für meine Familie. Ich wollte beide Seiten behalten.“

Beziehung auf der Kippe

Ganz anders verhielt es sich bei Pakully: Seine Eltern vertrauten ihm und ließen Freiraum bei der Partnersuche. Die Ablehnung, die Pakully durch Melikes Eltern erfuhr, ging dennoch nicht spurlos an ihm vorbei. Er erzählt:

Sie haben mir nie vorgeschrieben, wer einmal meine Frau werden müsste. Sie dachten, wenn Pakully diese Frau liebt, hat er seine Gründe dafür. Für mich war es auch nicht einfach zu sehen, wie sie den ganzen Stress Zuhause abbekam.

Laut der Paarberaterin Satu Marjatta Massaly hat das Umfeld einen starken Einfluss auf bikulturelle Partnerschaften: „Wenn die Gesellschaft einen Partner ablehnt, ist das eine große Belastung für die Beziehung.“ Das destabilisiere nicht nur denjenigen, der die Ablehnung erfährt, sondern auch den Partner, erklärt die Paarberaterin.

Angst vor Veränderungen

Sie erzählt weiter: „Die Ablehnung macht etwas mit uns. Das muss irgendwie kompensiert werden.” Das stellt ein Problem dar für die rund 1,5 Millionen binationalen Paaren in Deutschland, zu denen auch Pakully und Melike zählen.

Ebenjene kulturellen Differenzen spielten beim Kennenlernen des Pärchens noch keine Rolle. Ihre Liebe fing früh an. „Sie war zwei Klassen unter mir“, erinnert sich Ehemann Pakully. In einer Phase jugendlicher Offenheit wurde aus ihnen ein Paar. „Erst einmal war das ja nur: Man ist jung, man verliebt sich schnell. Am Anfang habe ich nicht direkt gesagt, ich werde sie heiraten und sie ist meine Traumfrau fürs Leben“, erzählt der heute 27-Jährige.

Pakullys Traumfrau Melike

Die Herkunft eines Menschen spielte für sie damals keine Rolle und tut sie auch heute nicht. Doch warum haben Melikes Eltern das anders gesehen? Die Tochter vermutet Angst vor Veränderungen. Sie sagt darüber:

Ich habe meine Familie wirklich verstanden. Sie haben sich Sorgen um mich gemacht. Kann es zwischen zwei unterschiedlichen Kulturen funktionieren? Warum geht sie nicht den leichten Weg und heiratet einen Türken? Ich habe sie verstanden. Aber was meine Familie nicht verstanden hatte: Für mich macht es keinen Unterschied, ob es ein Türke ist oder nicht. Ich denke, es ist die Angst vor Veränderungen. (…) Viele denken, man könnte mit der Kultur des Partners vielleicht nicht klarkommen, weil sie anders ist als die eigene.

Ihr Ehemann sieht keine schlechten Absichten in der Denkweise der Eltern: „Sie wollten Melike schützen. Sie dachten, man könnte mit der Kultur des Partners vielleicht nicht klarkommen, weil sie anders ist als die eigene. Viele denken auch, dass eine Scheidung irgendwann wahrscheinlicher ist.”

Unterschiede innerhalb der Partnerschaft

Eine Datenerhebung des Max-Planck-Instituts bestätigt diese Annahme: Demnach ist das Scheidungsrisiko bei bikulturellen Ehen zwischen Personen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, je nach Modell, zwischen 36 und 64 Prozent höher als bei Personen gleicher Herkunft. Für das Ehepaar gibt es jedoch kaum kulturelle Streitpunkte innerhalb ihrer Beziehung. Die 25-Jährige Melike sagt:

Wenn wir zu kulturell unterwegs wären, dann könnte es eher Probleme zwischen uns geben. Ich mag meine Kultur, ja – aber ich bestehe auf nichts. Und Pako denkt genauso.

Darüber sagt ihr Eheman Pakully, dass Melike türkische Serien liebt und sie auf Lautstärke 90 guckt. "Aber das ist kein Problem für mich“, ergänzt er. Auch die türkische Küche ist dem Senegalesen nicht fremd. „Für Döner und Lahmacun gibt man draußen gerne Geld aus. Und wenn ich das Zuhause essen kann, ist das ein Jackpot. Ab und zu vermisse ich Mamas Küche, dann rufe ich sie an und gebe Bescheid, dass ich nachher vorbeikommen werde.“

Näher zusammengerückt

Die Liebe hielt das Paar trotz Hürden zusammen. „Alles, was wir bisher erlebt haben, hat uns noch näher zusammengebracht. Die gemeinsame Vergangenheit hat uns so stark gemacht, dass wir ohne einander nicht mehr können“, sagt Pakully. Melike hielt zudem an ihren Träumen fest:

Wir hatten uns viele Liebesbriefe geschrieben. Mit Vorstellungen über unsere gemeinsame Zukunft. Wir wollten heiraten. Und genau so ist alles auch gekommen.

Das akzeptierten später auch ihre Eltern, trotz all der vorherigen Strapazen. Heute pflegen sie engen Kontakt zu ihrem Schwiegersohn Pakully. Im Jahr 2020 gaben sich die beiden das Ja-Wort vor dem Gesetz, das sie mit einem festlichen Essen in kleiner Gesellschaft feierten. Eine große Hochzeitsfeier, wie in der türkischen Tradition verankert, hatten die beiden nicht. Doch der Grund ist nicht kulturell bedingt, denn die Corona-Pandemie macht damals dem jungen Ehepaar einen Strich durch die Rechnung.

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Über die Jahre meistert das Ehepaar einige Hürden. Heute sind sie stolz darauf, dass sie nicht aufgegeben haben und ein Vorbild für andere interkulturelle Paare sein können. Melike Njie Aksoy und Pakully Njie

Pakully schwärmt über seine Ehe:

Nach unserer Hochzeit hatten wir unsere erste gemeinsame Nacht in unserer ersten gemeinsamen Wohnung vor uns. Als ich die Tür hinter mir schloss, wir alle anderen Menschen draußen ließen und nur wir zu zweit waren. Das war ein besonderer Moment, in dem wir gemerkt haben: Wir haben es geschafft.

Verwendete Quelle:

Max-Planck-Institut: 'Wann ist eine Ehe stabil?'

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