Der Nordpol wandert und die Wissenschaft sucht vergebens nach einer Erklärung

Der magnetische Nordpol – der Ort, zu dem die roten Nadeln unserer Kompasse zeigen – bewegt sich seit neuestem mit einer Geschwindigkeit von 55 Kilometern pro Jahr in Richtung Sibirien und stellt die Wissenschaft vor ein Rätsel.

Der Nordpol wandert und die Wissenschaft sucht vergebens nach einer Erklärung
© Noel Bauza / Pixabay
Der Nordpol wandert und die Wissenschaft sucht vergebens nach einer Erklärung

Im Gegensatz zu den geografischen Polen verändern die magnetischen Pole der Erde ihre Position. Ein Phänomen, das auf die Fluktuation von Eisenströmen im Erdinneren zurückzuführen ist und das Magnetfeld unseres Planeten beeinflusst.

So passiert es, dass der magnetische Nordpol nicht wie sein geografisches Pendant an einer Stelle bleibt, sondern sich in Richtung Sibirien (Russland) verschiebt. Und zwar mit einer solchen Geschwindigkeit, dass die Wissenschaft Schwierigkeiten hat, eine Erklärung zu finden.

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Der Nordpol bietet ein beeindruckendes Naturschauspiel. Auch seine Position bringt Forscher ins Staunen, den er ist in Bewegung. Pixabay @ Pexels

Eine Veränderung ungesehenen Ausmaßes

Den Nationalen Zentren für Umweltinformationen (NCEI) der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde (NOAA) zufolge hat dermagnetische Nordpol seit seiner Entdeckung im Jahr 1831 etwa 2.250 Kilometer zurückgelegt. Während die Bewegung bisher immer recht langsam war und die Wissenschaftler keinerlei Schwierigkeiten hatten, die Veränderungen in seiner Position zu verfolgen, ist die Geschwindigkeit, mit der sich der magnetische Nordpol bewegt, in den letzten Jahrzehnten auf durchschnittlich 55 Kilometer pro Jahr angestiegen.

Ein Phänomen, das in diesem Ausmaß bisher noch nicht beobachtet worden ist. Ciaran Beggan, Spezialistin des British Geological Survey, gegenüber der Financial Times:

Die Geschwindigkeit der Bewegung hat seit 1990 ein Ausmaß erreicht, das in 400 Jahren Forschung noch nie beobachtet worden ist. Wir wissen kaum etwas über die Veränderungen im Erdinneren, die diese Bewegungen hervorrufen.

Alle fünf Jahre ein neues Vorhersagemodell

Bisher ist es den Wissenschaftlern noch nicht gelungen, die starke Bewegung des Nordpols zu erklären. Das einzige, was sie tun können, ist das Magnetfeld der Erde abzubilden und im Laufe der Zeit das Ausmaß der Veränderungen zu ermitteln. Diese Darstellung nennt sich World Magnetic Model (WMM). Sämtliche GPS-Navigationsgeräte, Kompass-Apps sowie die Systeme der NASA, der Federal Aviation Administration (FFA) und das Militär greifen auf dieses Modell zurück.

Allerdings sind auch die Vorhersagen des WMM nicht immer hundertprozentig sicher. Um sie so präzise wie möglich zu gestalten, muss das Modell alle fünf Jahre aktualisiert werden. Das NCEI erklärt:

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ist die Vorhersage des WMM noch sehr präzise. Dies lässt jedoch im Laufe der fünf Jahre nach, bis das Modell schließlich anhand überarbeiteter Koeffizienten aktualisiert werden muss.

Jetzt musste die Aktualisierung allerdings schon ein Jahr früher durchgeführt werden. Da sich der magnetische Nordpol derzeit mit einer solchen Geschwindigkeit bewegt, wurde das WMM 2020 bereits dieses Jahr am 10. Dezember veröffentlicht.

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Das World Magnetic Model beschreibt das Erdmagnetfeld und seine Änderung. NOAA NCEI / CIRES

Umkehrung der Pole

Auch wenn die aktuelle Fluktuation recht besorgniserregend scheint, hat die Erde bereits stärkere Bewegungen des Magnetfelds erlebt: Alle etwa 200.000 bis 300.000 Jahre sind diese Bewegungen so stark, dass es zu einer Umpolung kommt und sich der magnetische Nordpol zum geografischen Südpol verlagert. Die letzte Umpolung fand vor etwa 700.000 Jahren statt.

Doch während manche Forscher davon ausgehen, eine solche Umkehrung könne innerhalb eines Menschlebens erfolgen, wird ihre Theorie von den Ergebnissen einer im Science Advances veröffentlichten Studie von August dieses Jahres widerlegt. Die Wissenschaftler begründen ihre Forschung auf Ozeansedimenten, der arktischen Eisdecke und Lavaströmen. Deren Untersuchungen haben gezeigt, dass solche Schwächungen, Verlagerungen, Stabilisierungen oder Umkehrungen des Magnetfelds der Erde über Millionen von Jahren stattfinden.

Genügend Zeit zur Vorbereitung

Das Forscherteam fand zudem heraus, dass die letzte Umpolung etwa 22.000 Jahre gedauert hat – doppelt so lange wie vorhergesagt. Außerdem wird davon ausgegangen, dass die Intensität mit jedem Zyklus um fünf Prozent abnimmt. Obwohl diese Schwächephase des Magnetfelds auf eine bevorstehende Umpolung hindeuten könnte, ist es schwer zu sagen, wann diese stattfinden wird.

Sollte eine solche Umpolung tatsächlich stattfinden, hätte sie enorme Auswirkungen auf die Navigations-, Satelliten- und Kommunikationssysteme. Doch die Forscher sind sich sicher, dass es mithilfe des WMM möglich sein wird, sich auf lange instabile Perioden des Magnetfelds einzustellen.

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