Warum schrumpft das menschliche Gehirn seit 3.000 Jahren?

Wenn unser Gehirn geschrumpft ist, macht uns das dann zu dümmeren Menschen als Homo sapiens?

Das menschliche Gehirn
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Das menschliche Gehirn

Ein Tennisball entspricht dem Volumen, das unser Gehirn seit den Homo sapiens verloren hat. Eine Schrumpfung um zehn Prozent seiner Größe, die der wissenschaftlichen Gemeinschaft seit Jahrzehnten Rätsel aufgibt.

Expert:innen aus Biologie, Anthropologie und der Neurowissenschaft von den Universitäten Dartmouth und Boston haben möglicherweise die Antwort gefunden. Ihre Studie wurde im Oktober 2021 in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and Evolution veröffentlicht.

Unser Gehirn, weniger groß als das eines Cro-Magnon-Menschen

In den letzten 20.000 Jahren ist unser Gehirn von 1.500 auf 1.350 Kubikzentimeter geschrumpft. Der Cro-Magnon-Mensch und Homo sapiens hatten ein viel größeres Gehirn als wir heute.

Wissenschaftler:innen zufolge begann der Rückgang der Größe des Gehirns vor etwa 3.000 Jahren, als das geologische Zeitalter des Holozäns begann. Aber was ist dann passiert?

Um diese Frage zu beantworten, analysierten die Forscher:innen Ameisen, deren Gemeinschaftsleben der Organisation unserer menschlichen Gesellschaften sehr nahe kommt.

Kollektive Entscheidungsfindung, Arbeitsteilung und die Herstellung eigener Nahrung sind Merkmale, die wir mit diesen kleinen Insekten teilen. Diese Ähnlichkeiten "könnten uns im Großen und Ganzen sagen, welche Faktoren die Veränderungen im Volumen des menschlichen Gehirns beeinflussen könnten", sind die Forscher:innen überzeugt.

Ist die kollektive Intelligenz schuld?

Wie lautet das Urteil? Die Ergebnisse zeigen, dass wir die Verringerung der Gehirngröße unseren sozialen Systemen zu verdanken haben. Tatsächlich hat der Austausch von Wissen und die "Entscheidungsfindung auf Gruppenebene" dazu geführt, dass das Gehirn die Sammlung und Sortierung von Informationen besser bewältigen kann und somit weniger Energie verbraucht. Neurowissenschaftler:innen erklären:

Menschen leben in sozialen Gruppen, in denen mehrere Gehirne zur Entstehung von kollektiver Intelligenz beitragen.

Und wie bei unseren Freunden, den Ameisen, sind es "Aspekte der Geselligkeit" und "große Gruppengrößen, agrarische Lebensgeschichten, Arbeitsteilung und kollektive Kognition", die die Evolution des menschlichen Gehirns vorantreiben.

Allerdings sei hier angemerkt, dass der Cro-Magnon-Mensch nicht klüger war als wir "modernen" Menschen: Größe ist nicht unbedingt mit Klugheit gleichzusetzen.

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